Ich antworte auf diese Frage eigentlich immer mit: Kommt ganz darauf an... Und das wollen leider nicht alle hören. Mein Training basiert auf den physischen und psychischen Gegebenheiten, die das Pferd (und auch der Zweibeiner) mitbringt. In meinem Training gibt es keine Abkürzung, da alleine Strukturen wie Muskeln, Sehnen und Bänder schon ihre Zeit brauchen, vom geistigen Verstehen mal ganz abgesehen. Hinzu kommt, dass in dem Bereich, in dem ich arbeite, nämlich mit Freizeitpartnern, die Menschen meist nur ein Pferd haben, das dann auch bitte möglichst lange gesund und reitbar sein soll, da es eben nicht ersetzbar ist.
Das heißt nun für mich, dass ich am Anfang eine Bestandsaufnahme machen muss: Wie viel Muskulatur bringt das Pferd mit? Wie gut ist der Rumpftrageapparat ausgebildet? Wie sieht es mit der Stabilität von Faszien, Sehnen und Bändern aus? Und ganz wichtig: Was ist der Berittauftrag?
Muskeln können innerhalb von 6-9 Wochen wunderbar heranreifen, Sehnen, Faszien und Bänder brauchen allerdings bis zu 2 Jahre, um vollständig stabil zu werden (und das auch nur bei angepasstem Training). Wenn ich also ein Jungpferd zum Anreiten bekomme, das noch nichts getan hat außer auf der Wiese zu stehen, werde ich die ersten Wochen, nicht Tage, damit zubringen, nicht nur Muskulatur aufzubauen, sondern mit ganz viel Schritttraining die anderen Strukturen anzutrainieren. Das sieht oft unspektakulär aus. Der Verschleiß des Körpers ist hierbei allerdings auch unspektakulär und das ist gut so.
Dann ist jeder Körper anders, jede Pferderasse auf unterschiedliche Belastungen ausgelegt. Ich behandle jedes Pferd so, dass es dem Besitzer möglichst lange erhalten bleiben wird. Wenn wir dadurch mit „Lektionen“ nicht ganz so weit kommen, das Pferd dabei aber körperlich und geistig nicht überfordert wurde und so die Motivation behalten konnte, haben wir allerdings alles richtig gemacht. Manche können vielleicht nach 3 Monaten wunderbar alle Grundgangarten, waren im Gelände, sind körperlich gut aufgestellt und super rittig, können schon ganze Hinterhandwendungen, Seitwärtsgänge und sind super weich an der Hand. Andere brauchen alleine 2 Monate, bis der Rücken überhaupt im Ansatz soweit ist, dass man über minutenweise Belastung nachdenken kann.
Bekomme ich ein „Problempferd“ zur Korrektur, wird es noch schwieriger zu sagen, wie lange es dauern wird. Meist liegt nicht nur ein psychisches Problem zugrunde, sondern das Verhalten begründet sich auch auf körperlichen Problemen oder Schwierigkeiten. Das Pferd hat bis zu diesem Zeitpunkt vielleicht Schmerzen ertragen, kompensatorische Fehlhaltungen eingenommen und Bewegungs- sowie Verhaltensmuster gelernt, die nun langsam umprogrammiert werden müssen. Wer schon einmal versucht hat, etwas bereits Gelerntes umzulernen, weiß, wie schwierig das ist und wie viele Wiederholungen man braucht, bis es klappt. Ob es dann aber noch unter Stress klappt, ist eine andere Frage.
Also stelle ich dieses Pferd langsam um, und auch hier brauchen Muskulatur, Sehnen, Bänder und Faszien ihre Zeit, bis sie sich an die neuen Anforderungen gewöhnt haben. Übrigens: Kennt ihr die Regenerationszeiten der verschiedenen Strukturen? Auch die beziehe ich in mein Training ein und schaue, dass ich den Pferdekörper so bestmöglich im Aufbau unterstütze.
Keiner von uns steckt drin und keiner von uns kann es vorhersehen. Die Hauptsache ist, dass wir dem Pferd gegenüber fair bleiben, ihm die Zeit geben, die es braucht, damit wir bzw. ihr am Ende noch viel gemeinsame gesunde Zeit mit euren Lieblingen habt. Und glaubt mir, die Kosten für Sehnenschäden etc. lassen sich da ganz gut gegenrechnen. Von daher gehe ich in der Regel von mindestens 3 Monaten Beritt aus mit der Option auf Verlängerung. Und selbstverständlich möchte ich die Zweibeiner so schnell es geht mit ins Boot holen. Denn am Ende sollt ihr miteinander zurecht kommen und lange glücklich und gesund Zeit verbringen können und in einem gesunden Körper steckt ein gesunder Geist.
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Foto: Anna Luong Van